Großeinsatz mit Hindernissen


Quelle: Höchster Kreisblatt - Aug 21, 2011

Bei der Katastrophenschutzübung mit 320 Hilfskräften muss die Feuerwehr auf dem Main ein Boot „kapern“

Zwei Schiffe stoßen zusammen und stehen kurz darauf in Flammen. Schwerstarbeit für die Retter, die wohl zum letzten Mal auf dem Fluss üben durften.

Von Melanie Taylor

Eddersheim. Ein Schwarm kleiner Vögel kreist hoch über dem Main. Die schwarzen Rauchschwaden machen den Flugkünstlern offensichtlich nichts aus. Obwohl unten auf der Schute, einem Schiff ohne Antrieb, die Flammen lodern und schwarzer Qualm aufsteigt, gleiten die Vögel ruhig hindurch. Allerdings fliegen sie in sicherer Entfernung. Ganz im Gegensatz zu den Männern und Frauen der Hochzeitsgesellschaft, die auf an der Rehling ihres Ausflugsdampfers stehen und laut nach Hilfe schreien.

"Wir lassen die Lage im Minutentakt eskalieren", erklärt Thomas Spengler, Leiter Katastrophenschutz im Main-Taunus-Kreis. Mit der Großübung, an der die Feuerwehren des Kreises, das Technische Hilfswerk Hofheim, der Arbeiter Samariter Bund, das Deutsche Rote Kreuz und der Malteser Hilfsdienst involviert waren, wurde am Samstag eine Havarie zwischen einem Ausflugsdampfer und einem anderen Schiff simuliert: ein Brand, eine ungewisse Zahl von Verletzten und vielleicht Toten. Klar, dass viele Einsatzkräfte gebraucht werden. Rund 320 sollten es werden.

 

Ein Loch im Ventil

Die ersten an der Unfallstelle an der Eddersheimer Brücke ist die Freiwillige Feuerwehr aus dem Stadtteil. Um 14.45 Uhr, etwa zehn Minuten nach dem Alarm, steigen die Einsatzkräfte aus ihrem Wagen. Die Lage ist schwierig. Sie müssen auf das Wasser. Doch das rote Schlauchboot, das sie neben den Kanistern mit Löschschaum, der großen Pumpe und den Schläuchen ans Ufer geschleppt haben, ist defekt. Aus einem Ventil entweicht zischend die Luft.

In solchen Moment ist Improvisation gefragt. Ein Feuerwehrmann winkt kurzer Hand ein weißes Sportboot herbei, das die Szene gerade umschiffen will. Es ist besetzt mit vier Ausflüglern, zwei Männern und zwei Frauen. Die Frankfurter sind in Feierstimmung. Sie sind auf dem Weg nach Wiesbaden und zufällig in die Szenerie geraten, von der sie bereits wissen, dass sie nur eine Übung ist. Doch trotzdem sind sie keine passiven Beobachter mehr, wie die, die sich in Massen auf der Brücke und unten am Zaun vor dem Ufer versammelt haben. Alle, bis auf den Fahrer, müssen kurzerhand auf das Festland. Die Feuerwehrkräfte haben entschieden, das kleine Sportboot für die Rettung zu nutzen. "Das dürfen sie", erklärt Spengler. Im Notfall haben Einsatzkräfte freie Hand und können mögliche Hilfsmitteln benutzen. Die Frankfurter Ausflügler nehmen es gelassen.

Bis die ersten Verletzten ans Eddersheimer Ufer gebracht werden, vergeht einige Zeit. Klar, die Rettungskräfte müssen sich an Bord erst einen Überblick verschaffen und das ist bei diesem Chaos nicht so leicht. 32 Statisten simulieren Atemstillstand, Polytrauma oder Verbrennungen. Es sind Kräfte der Realistischen Notfalldarstellung Thüringen. Sie haben nicht nur perfekt geschminkte Wunden, sondern zeigen auch das für ihre Verletzungsart typische Verhalten.

 

Kleine Pannen gewollt

Allerdings läuft bei der Übung nicht alles reibungslos: "Man merkt, dass das kein Ernst ist", findet der Okrifteler Gerhard Rank, der dem Treiben zuschaut. Die Leute ließen sich viel Zeit, niemand rege sich auf, meint er. Mit dem Eindruck ist er nicht alleine, viele Zuschauer wundern sich, wie lange alles dauert. So manche Rettungskraft wirkt nicht sehr engagiert, sondern steht abseits passiv rum.

Ein Umstand, den Johannes Latsch, Pressesprecher des Kreises, nicht ungewöhnlich findet. Desorientiertheit komme ebenso bei realen Einsätzen vor. Kleine Pannen wie die mit dem Schlauchboot sind sogar gewollt. Schließlich ist die Übung dazu da, dass alle etwas lernen. "Perfekt kann man keine Katastrophe üben", betont Latsch. Übrigens war es wohl die letzte Großübung dieser Art auf dem Main, wie Kreisbeigeordneter Michael Cyriax erklärt. Durch den Flughafenausbau wird dies aus Sicherheitsgründen, zumal mit Rauchmitteleinsatz, nicht mehr möglich sein.

 

 

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