Großeinsatz in der Gluthitze


Quelle: Höchster Kreisblatt - Jul 23, 2013

Von Thorsten Remsperger

Feuerwehr löscht Brand auf über 1000 Quadratmetern ++ Pferde evakuiert ++ L 3011 stundenlang gesperrt

Einen Einsatz von solcher Dimension, wie er sich gestern Nachmittag abspielte, musste die Hattersheimer Wehr schon lange nicht mehr absolvieren.

Okriftel. 

Der Schock sitzt Manfred Humm noch Stunden später in den Gliedern, verständlicherweise. Es fällt ihm schwer, Worte zu finden, nur kurze Sätze bringt der Reitstallbesitzer heraus.

Der kahlköpfige Mann war gegen 16 Uhr auf einer Ackerfläche zwischen der Wasserwerkchaussee und dem Okrifteler Ortsrand unterwegs gewesen, etwa 100 Meter von den ersten Wohnhäusern entfernt. Er hatte an seinen Traktor eine ausgeliehene Rundballenpresse gekoppelt, in der Stroh gebündelt wird. Das Stroh kann er gut gebrauchen für die Pferde auf seinem Hof, der am Ortsausgang Richtung Sindlingen liegt. Nichtsahnend fuhr Humm also auf seinem Traktor des Weges, wie er es öfters im Sommer tut. Plötzlich, „noch bevor ich es richtig sehen konnte“, sagt er, fing die landwirtschaftliche Maschine Feuer. „Es hat sofort gebrannt.“ Geistesgegenwärtig sprang der Mann herunter und hängte die Presse ab. „So schnell wie möglich, dass ich den Traktor noch retten konnte.“ Und sich selbst.

Denn während sich Humm auf dem Fahrzeug langsam entfernte und mit seinem Handy die Feuerwehr alarmierte, verbreitete sich das Lauffeuer. In Windeseile. Die etwa 30 000 bis 40 000 Euro teure Maschine war am Rande eines Ackers abgebrannt. Ein Acker, so groß wie ein Fußballfeld, etwas länger, aber nicht ganz so breit, ausgetrocknet nach wochenlanger Trockenperiode. Auf ihm: gehäckseltes Stroh.

„Nur Sekunden“, so die Einschätzung von Hattersheims Stadtbrandinspektor David Tisold, benötigten die Flammen, um die komplette Fläche mit den kurzen, hellen Strohhalmen in schwarze Asche zu verwandeln. So bahnte sich das Feuer seinen Weg zum Nachbargrundstück, einem von hohen Bäumen umgebenen Unterstand, an dem gerade drei Pferde grasten.

Die Tiere nahmen Reißaus, doch die Flammen näherten sich, sie kamen bedrohlich nahe. Die Pferde wurden aber gerade noch von der eintreffenden Feuerwehr in Sicherheit gebracht. Die Holzkonstruktion samt dort abgestellten landwirtschaftlichen Geräten war nicht zu retten.

Die eintreffenden Einsatzkräfte mussten sich erst einmal orientieren, denn es gab gleich mehrere Brände zu löschen: an der Strohpresse, am Unterstand und in einem weiteren kleinen Waldstück, in direkter Nähe des Rosariums. Hier erhielten die Flammen nach einem Funkenflug, begünstigt durch leichten Wind, in einer Baumkrone neue Nahrung. Dazwischen Bäume und Wiesen, die unbeschadet blieben.

„Auf bestimmt 1200 Quadratmeter“ schätzt Tisold die Fläche, auf der die Wehr gerade ran muss. Der Stadtbrandinspektor steht unweit des schon vollständig verkohlten, aber noch qualmenden Unterstandes, an dem ein Löschtrupp gerade Schwerstarbeit leistet. Ein Funkspruch nach dem anderen trifft bei ihm ein. An einen Einsatz von ähnlicher Dimension, so sagt er, könne er sich nicht erinnern. Die große Fläche und die damit über hunderte Meter zu koordinierende Wasserversorgung ist das eine, das den Einsatz für die Brandschützer aus Hattersheim, Okriftel und Eddersheim sowie ihren Verstärkungen aus dem Main-Taunus-Kreis. Das andere ist die große Hitze. Hastig werden Wasserkästen herbeigeschleppt, in den Pausen ziehen die schwitzenden Feuerwehrleute ihren Overall vom Oberkörper, suchen sich ein schattiges Plätzchen, ruhen sich aus.

„Hitze und Rauchentwicklung sind massiv, man kann die Leute nur einmal reinschicken, dann müssen sie sich erholen“, erklärt Tisold. 90 Brandschützer geben ihr Bestes, viele haben Atemschutzmasken auf, gut 30 Sauerstoffgeräte kommen zum Einsatz. Es dauert keine Stunde, bis das Feuer unter Kontrolle ist. Vorsorglich hat die Polizei die L 3011 zwischen Hattersheim und Okriftel voll gesperrt, erst abends wird sie für den Verkehr wieder freigegeben.

Mehrere besorgte Okrifteler sind zu Fuß gekommen und beobachten das Geschehen. Das Feuer und vor allem den Rauch konnten sie teilweise von ihren Wohnungen aus sehen. Unter den Schaulustigen ist auch Ortslandwirt Reiner Wilker. Ihm gehört der abgebrannte Acker. Wilker trägt es dennoch mit Fassung. Das gehäckselte Stroh wollte er eigentlich als Dünger verwenden, damit Wintergerste als nächstes wieder auf dem Acker wächst. Der Schaden lässt sich in ein paar Arbeitsstunden aber wohl beheben. „Bestimmt ist die Presse heißgelaufen“, mutmaßt Wilker. „Das ist wie bei einer Explosion. Wenn das so trockene Stroh Feuer fängt, brennt es gleich lichterloh.“

Nicht weit entfernt an der Wasserwerkchaussee kümmern sich junge Leute um die drei Pferde, die mit dem Schrecken davon gekommen sind. Sie machen einen deutlich bedrückteren Eindruck. Unter ihnen ist die Besitzerin des abgebrannten Unterstandes, die um Fassung ringt. Pferdefreund Manfred Humm kann es sicher gut nachvollziehen, wie sich die Frau jetzt fühlt. Gegen Abend hat er auf seinem Hof versucht, sich abzulenken, doch der Schock sitzt tief.

Kein Trost wird es für ihn sein, dass die Polizei ihm nach seiner Schilderung vom Unglückshergang Glauben schenkt. Die Rundballenpresse, so ein Beamter gestern noch am Einsatzort, habe sehr wahrscheinlich wegen eines technischen Defektes Feuer gefangen. Nach erster Einschätzung könne nicht von einer fahrlässigen Brandstiftung ausgegangen werden.

 
Schauen Sie sich auch die Einsatz-Details des folgenden Einsatzes an:
Brennt Heupresse und Stoppelacker
Icons by dryIcons.com