Das nächste Feuer


Quelle: Höchster Kreisblatt - Mär 30, 2012

Dieses Mal brennt die alte Lagerhalle eines Aussiedlerhofes ab +++ Groß angelegte Fahndung der Polizei ohne Erfolg

 

Das Feuer in der Nacht zum Donnerstag war bereits der dritte Brand in zehn Tagen. Die Anzeichen auf einen Serientäter verdichten sich.


Von Thorsten Remsperger


Okriftel.  Luzie Meyer bringt nichts so schnell aus der Fassung. Selbst ein Brand auf ihrem eigenen Hof nicht. Während zwei Beamte der Hofheimer Kriminalpolizei am Morgen danach Fotos von der Lagerhalle machen – oder besser: von den wenigen verkohlten Überbleibseln wie Teilen des Wellblechdaches und dem demolierten Traktor – steht die 73-Jährige an ihrem Hühnerstall und schaut in aller Seelenruhe zu, fast regungslos. "Wir haben schon so viel mitgemacht", sagt die tapfere Frau in Arbeitskleidung, die weißen Haare zum Zopf gebunden. Eine richtige Reaktion ist in ihrem Gesicht erst zu erkennen, als sie sich Gedanken darüber macht, wer so etwas getan haben könnte. "Es ist schon eine Sauerei", murmelt sie dann.

 

Woran Luzie Meyer wenig Zweifel hat: Der nächtliche Brand der Lagerhalle, die sie vor Jahrzehnten mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann einige Meter von ihrem Wohnhaus am Kuckuckspfad entfernt baute, war das Werk eines Feuerteufels. Die ältere Frau kann sich noch gut an eine Brandserie im Sommer vor zwei Jahren erinnern, als im Umkreis von mehreren Kilometern immer wieder Strohballen angesteckt wurden. Auch auf dem benachbarten Sonnenhof sei das damals passiert. Und jetzt, bei der neuen Serie in Okriftel und Umgebung, habe es nun sie erwischt.

 

 

Leichtes Spiel

Wenn es tatsächlich einen oder mehrere Serientäter gibt, die für die ungewöhnliche hohe Anzahl an Brandstiftungen in kurzer Zeit verantwortlich sind – darunter die beiden Großbrände der Gaststätte "Meier Gustl" im Dezember und des Anglerheims vor eineinhalb Wochen – dann hatten der oder die Unbekannten am Aussiedlerhof in der Nacht zum Donnerstag leichtes Spiel.

 

Die Meyers hatten die Halle auf 20 Quadratmetern auf sehr spartanische Bauweise hochgezogen: mit Holzträgern und einem Wellblechdach, gepresste Strohballen fungierten als Außenwände. Die Halle diente zuletzt vor allem als Lager für Holz und Heu. Außerdem standen ein Traktor und mehrere Geräte darin, die Luzie Meyer kaum mehr braucht, weil sie alleine mit ein paar Hühnern, drei Hunden und dem Pferd ihrer Tochter lebt und seit Jahren keine Landwirtschaft mehr betreibt.

 

Die Halle brannte wegen ihrer leicht entzündbaren Bestandteile schnell. So schnell, dass die Feuerwehr schon fast da war, als die alte Dame gestern gegen 1 Uhr von ihrem Hund geweckt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatten schon mehrere Leute bei der Feuerwehr angerufen, da die Flammen einige Meter hoch schlugen und deshalb auch von weitem zu sehen waren.

 

"Als wir kamen, brannte die Halle schon in voller Ausdehnung", berichtet Stadtbrandinspektor David Tisold. Deshalb sei eine Einschätzung, ob es sich denn um Brandstiftung handelte – so offensichtlich wie es beispielsweise bei den brennenden Mülltonnen am Eingang des Anglerheims war – nicht möglich.

 

Wie soll sich das Feuer aber selbst entzündet haben? Ein durchgeschmortes Stromkabel vielleicht? Am Aussiedlerhof gibt es keine Elektrizität. Luzie Meyer heizt mit Holz. Ein technischer Defekt an einem Traktor, der schon länger nicht mehr bewegt wurde, dürfte wohl auch ausscheiden.

 

Gezündelt

 

Anhand der Serie von angezündeten Mülltonnen, Bänken und Gebäuden in knapp zwei Wochen sagt sogar der Sprecher der Polizeidirektion Main-Taunus, Andreas Beese, sonst ein zurückhaltender Mann: "Es sieht so aus, als würde da jemand zündeln." Von Hinweisen auf eine Brandstiftung an der Lagerhalle kann er zwar noch nicht berichten. Und von eindeutigen Zusammenhängen zwischen den Bränden in letzter Zeit, die alle in oder an von Menschen verlassenen, frei stehenden Gebäuden entstanden, sowieso nicht.

 

Das große Polizeiaufgebot in der Nacht zum Donnerstag deutet jedoch daraufhin, dass man mittlerweile von einem Serientäter ausgeht. Drei Streifen suchten vor Ort die Umgebung ab, in der sich beispielsweise das Schützenheim und das Alpha-Hochhaus befinden. Ein Hubschrauber kreiste schon bald nach der Alarmierung rund eine halbe Stunde lang über Okriftel. Personalien nahmen die Beamten auch von den Schaulustigen auf. Wer weiß, vielleicht will sich der Feuerteufel sein "Werk" ja aus der Nähe ansehen.

 

Als die Feuerwehrleute – 45 waren es aus dem Stadtgebiet insgesamt – nach rund sieben Stunden ihre Arbeit endlich einstellen konnten, dauerte es nicht mehr lange, bis die Kripo auf Spurensuche gehen konnte.

 

Die beiden Beamten finden nur noch ein paar Überreste von Wellblechdach und Gerätschaften sowie Heuhaufen am Tatort vor. Geschätzte 40 000 Euro beträgt der Sachschaden. Während Luzie Meyer erzählt, unterhalten die Ermittler sich mit einem vorbeikommenden Jugendlichen, der angibt, in der Nacht Fotos gemacht zu haben. Sie vereinbaren mit ihm ein Treffen für den nächsten Tag. "Jede Fotoaufnahme könnte Hinweise enthalten", sagt einer der Polizisten.

 

Luzie Meyer ist mit ihrem Sohn damit beschäftigt, für die Polizei den Grundriss der Lagerhalle zu zeichnen. Sie hat Glück im Unglück. Die warme Jahreszeit hat begonnen. Denn viel Holz zum Heizen hätte sie erst einmal nicht.

 
Schauen Sie sich auch die Einsatz-Details des folgenden Einsatzes an:
Brennt Scheune in voller Ausdehnung
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